Mit dem Kauf des Gebäudekomplexes der ehemaligen Buntpapierfabrik hat die Stadt Flöha die Immobilie eines traditionsreichen Unternehmens erworben. Es existierte fast 115 Jahre und hatte sich durch seine hohe Erzeugnisqualität einen großen Kundenkreis im In- und Ausland erarbeitet.
Im Jahre 1878 hatte der damals 32 Jahre alte, aus Schneeberg stammende Robert Wilisch das Unternehmen gegründet, indem er die Räumlichkeiten der ehemaligen Strobel’schen Spinnerei erwarb und darin seine Buntpapierfabrikation aufbaute. Die nahe gelegene Zschopau als Ressource für den branchentypisch hohen Wasserbedarf zum Färben des Papiers dürfte die Entscheidung des Firmengründers für diesen Standort wesentlich beeinflusst haben.
Robert Wilisch fand für seine Erzeugnisse schnell Zugang zum Markt, schließlich hatten seine Vorfahren 1805 die Buntpapierfabrikation zunächst als Manufaktur in Schneeberg gegründet, dann zu einem erfolgreichen Unternehmen weiterentwickelt und schließlich sogar ein neues Werk in Oberschlema errichtet.
So reichten schon in den 1890er Jahren die Platzverhältnisse im Gebäude in Plaue nicht mehr aus und Robert Wilisch ließ den Altbau durch die Firma des Baumeisters Lindner in Flöha aufstocken.
Als Energiebasis zum Betreiben der Fertigungseinrichtungen diente Steinkohle. Etwa 25 bis 30 Zentner Kohle pro Tag waren nötig, um mittels Dampfkessel und Dampfmaschine die erforderliche mechanische Energie für den Maschinenpark des Altbaus bereit zu stellen. Ab 1888 wurde mittels Dynamomaschine aus der mechanischen Energie auch Elektroenergie gewonnen, zunächst nur für Beleuchtungszwecke im alten Fabrikgebäude.
Um dem steigenden Kundenbedarf an Bunt- und Glacépapieren gerecht zu werden, wurde um die Jahrhundertwende eine weitere Vergrößerung des Produktionsumfangs unerlässlich.
Robert Wilisch ließ deshalb 1903 die Fabrikanlage erweitern, indem er einen sich an den Altbau anschließenden vieretagigen Querflügel errichten ließ. Dieser hebt sich auch heute noch optisch eindrucksvoll vom gesamten Gebäudekomplex ab. An seiner nahezu unverbauten Westseite sind 15 Fensterreihen erkennbar. Die Fenster der unteren und der oberen Etage sind als Bogenfenster ausgeführt, die breiteren Fenster der mittleren Reihe gaben dem Fabrikneubau Symmetrie und ließen ihn weniger lang erscheinen.Durch einen Grundstückszukauf in nördlicher Richtung wurde u.a. der Bau des Wirtschaftsgebäudes (1904) möglich.
Vor der Errichtung des Fabrikneubaus befanden sich das alte Kessel- und Maschinenhaus sowie der 30 m hohe Schornstein mit quadratischem Querschnitt an der Westseite des Altbaus (Bild 1) und mussten deshalb dem Neubau weichen.
Die Anlagen zur Energieerzeugung, die dem nunmehr erhöhten Energiebedarf zu entsprechen hatten, wurden an der Ostseite des Fabrikneubaus neu aufgebaut. Maschinenhaus und Kesselhaus wurden voneinander abgetrennt. Die erforderliche Höhe für den neuen Schornstein betrug zunächst 40 m.
Ein wichtiger Schritt in der Produktstrategie war dann die Konzentration auf Herstellung von hochfeinen weißen Chromopapieren und -kartons, die insbesondere für Druckereien zunehmend von Interesse waren.
Zahlreiche Erweiterungen der Fabrikanlage in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen zeugen davon, daß eine große Nachfrage nach den Erzeugnissen bestand und dass im Unternehmen stets darauf geachtet wurde, den Produktionsumfang dem steigenden Kundenbedarf anzupassen.
Beispiele: Gebäudeerweiterung an der östlichen Fabrikseite zur Schaffung von neuen Arbeits- und Verwaltungsräumen (1920), Schornsteinerhöhung auf 45 m wegen Einsatz eines größeren Heizkessels (1924), Neubau des Lagergebäudes an der Westseite (1921) und spätere Aufstockungen (1928, 1934), Aufbau eines zweietagigen Geschosses (Farbküche) auf einem Teil des
Fabrikneubaus (1926), Erweiterungsbau in Verlängerung des Fabrikneubaus (1936), Bau der Ausfahrt an der Wilischstraße (1936), heute August-Bebel-Straße (Bild 2).
1945 wurde das Betriebsvermögen beschlagnahmt, das Unternehmen 1946 enteignet und in Volkseigentum übergeleitet. Als wichtiger Betrieb der Buntpapierherstellung auf dem Gebiet der damaligen Sowjetischen Besatzungszone wurde die Produktion jedoch weitergeführt, im Gegensatz zur Buntpapierfabrik Wilisch in Oberschlema. Dieses Werk wurde demontiert.
Mit der Gründung der VVB (Vereinigung Volkseigener Betriebe) wurde der VEB Buntpapierfabrik Plaue zunächst der VVB Verpackung Leipzig zugeordnet. In dieser Zeit wurden wichtige Modernisierungsmaßnahmen realisiert. 1961 erfolgte die grundhafte Erneuerung des Altbaus durch Einbau von Stahlbetondecken mit hoher statischer Belastbarkeit, Aufstellung einer hochmodernen Luftbürstenstreichmaschine, deren Abmessungen sich über zwei Etagen erstreckten, der Umbau des früheren Dachgeschosses zu einer vollwertigen Etage mit sozialen Einrichtungen, wie Werksküche, modernem Speisesaal, Verkaufsstelle. Nachdem bereits in den 1950er Jahren Vorkehrungen innerhalb der Fabrik für den Umstieg auf externe Elektroenergie getroffen worden waren (Bau Umformerstation, Traforaum) konnte 1964 mit dem Bau des Trafohauses (neben dem Pförtnerhäuschen) die in die Jahre gekommene, 1913 aufgestellte Dampfmaschine als Energiequelle abgelöst werden.
Seit etwa Mitte der 1950er Jahre gehörte die Bunt- und Luxuspapierfabrik Goldbach bei Bischofswerda zur Buntpapierfabrik. 1965 ist dieser Betrieb dann in das Kombinat Fortschritt Landmaschinen in Neustadt/Sa. eingegliedert worden. Die Produktionsaufgaben wurden seitdem vom Werk in Flöha mit übernommen.
Sehr wichtig für das Unternehmen war, wie bereits erwähnt, seit jeher die Bereitstellung des Brauchwassers. Die Entnahme aus der Zschopau erfolgte über drainageähnliche Rohre. Das Wasser musste zunächst gefiltert werden und durchlief vor der Rückleitung in den Fluss entsprechende Absetzbecken, damit sich Inhaltsstoffe der Farben dort ablagern konnten. Dennoch war am rückgeleiteten Wasser stets deutlich sichtbar, welche Farbe gerade verarbeitet wurde.
1971 erfolgte, allerdings nach mehrjährigen Bemühungen um Investitionsmittel, die Rekonstruktion dieser über die Jahrzehnte marode gewordenen Brauchwasserversorgung. Das Vorhaben war umfangreich und dringend zugleich, wurden doch arbeitstäglich ca. 150 m³ Brauchwasser benötigt.
Mit Jahresbeginn 1975 wurde die Buntpapierfabrik Flöha aus dem Verband der VVB Verpackung herausgelöst, zur VVB Zellstoff-Papier-Pappe übergeleitet und als Werk 2 dem VEB Papierfabrik Dreiwerden angeschlossen. Größere Investitionen blieben seitdem aus. Vorrang hatte die Absicherung des Produktionsplanes.
Zu DDR-Zeiten waren in der Buntpapierfabrik Flöha ca. 250 Mitarbeiter beschäftigt. 20 bis 25 % der Produktion wurde in rund 50 Länder exportiert.
Die Haupterzeugnisse waren weiterhin Chromo-, Glanz- und Glacépapier. Sie wurden für die Verpackungsmittelindustrie (z.B. für Schokoladeneinschlagpapier), Kartonagenherstellung, Schulbedarf, Werbung, Etiketten für Schallplattenindustrie (Amiga, Eterna) verwendet. Spezialpapiere dienten der Herstellung von Briefmarken, spezielle Duplexpapiere der Herstellung von Tapeten.
Die Zulieferbetriebe waren in der Region beheimatet. Papier kam je nach Sorte z.B. aus Grünhainichen, Dreiwerden, Heidenau, Weißenborn; Farben aus Katzhütte.
Ein Projekt zur externen Wärmeversorgung der Buntpapierfabrik und Tüllfabrik mit einem Heizhaus auf dem Gelände des heutigen Gewerbegebietes in Plaue wurde kurz vor der Inbetriebsetzung 1989 nicht fertig gestellt.
Mit der politischen Wende 1990 gelangte die Buntpapierfabrik Flöha über die Treuhand an die Huchtemeier Papier GmbH in Dortmund. Deren damaliger geschäftsführender Gesellschafter und Präsident der IHK Dortmund, Alfred Voßschulte (Senior) gründete dann daraus 1991 die "Flöha Papier GmbH" mit neun Mitarbeitern. Der erforderliche Umsatz konnte jedoch nicht erreicht werden und das Unternehmen geriet in Insolvenz und Liquidation. Es besitzt im Wesentlichen nur noch die Gebäudehülle und betreibt keine Produktion mehr.
Klaus Büttner und Lutz Weiß, zwei leitende Angestellte des VEB Buntpapierfabrik Flöha und spätere Gesellschafter der Flöha Papier GmbH gründeten im Jahr 2006 die Papierverarbeitung Flöha GbR, ein Zwei-Personen-Unternehmen mit dem Geschäftsfeld Zuschnitt von weißem Rollenpapier auf kundenspezifische Formate.
In den Händen der Stadtverwaltung Flöha liegt es nun, den historischen Industriestandort einer neuen Nutzung zuzuführen.
(Anm.: Die Recherche beruht auf Einsichtnahme in Archivunterlagen und Rücksprache mit Zeitzeugen.)
Dr. Christian Hans